Als begeisterter Schwimmer liebe ich alte Stadtbäder. Hier kommen zwei meiner Interessen zusammen: Der Denkmalschutz und die Leidenschaft für Wasser. Leider müssen immer wieder historische Badeanstalten schließen, weil der Unterhalt zu kostenintensiv wird. Dann stellt sich die Frage: Können historische Bauten mit einer so speziellen Nutzung sinnvoll umgenutzt werden? Vereinfacht gefragt, ist eine Schwimmbadsanierung ohne Schwimmbad möglich?
Ich hatte nun Gelegenheit eine Antwortsuche aus nächster Nähe zu besichtigen:
Das Stadtbad Lichtenberg.
Das Stadtbad Lichtenberg wurde 1928 eröffnet und 1991 wegen Baumängeln und fehlender Mittel geschlossen. Seither steht das denkmalgeschützte Gebäude im Namensgebenden Ortsteil Berlin- Lichtenberg, nahe dem S-Bahnhof Lichtenberg leer.
Im Jahr 2016 fasste der Senat von Berlin einen Entschluss: der Komplex bleibt Eigentum des Landes Berlin. Im Auftrag der Stadt kümmert sich seitdem das Unternehmen Berliner Immobilienmanagement (BIM) um Möglichkeiten der Nachnutzung. Eine Wiederaufnahme des Badebetriebes ist wegen der hohen Investitionskosten und der Unwirtschaftlichkeit eines laufenden Betriebes nicht mehr vorgesehen. Eine Umnutzung war notwendig. Nicht selten geht jedoch dabei durch die nötigen baulichen Anpassungen die ursprüngliche Intension von Architektur und Funktion verloren.
Das Gebäude
Das Stadtbad Lichtenberg ist ein wunderbares Beispiel für gebauten Expressionismus in Deutschland. Die einheitliche Gestaltung zieht sich durch das gesamte Gebäude und ist in großen Teilen gut erhalten. Schon im Foyer kann man den Zauber der verschlafenen Schönheit spüren. Gleich links neben dem Eingang hängt eine Originaltafel: „Heißluftbehandlung für Frauen Dienstag, Donnerstag, Sonnabend, für Männer Montag, Mittwoch, Freitag”. Das Gebäude beherbergte neben zwei Schwimmbecken eine Sauna, Dusch- und Wannenbäder, einen Turnsaal und ein Sonnendeck auf dem Dach. Im Kellergeschoss gab es sogar einen Friseur.
Schon die hellblauen Fliesen in verschiedenen Formaten des Foyers zeugen von der Detailverliebtheit der Planer. Bis heute lassen sich deren Ideen bestaunen: Es gibt Fliesen in flaschengrün und meeresblau, karmesin- und eisenrot, ocker- und cremegelb. Kunstvoll gezackte Geländer, einander ähnelnd und doch immer verschieden, korrespondieren mit Ziegelformationen in Kristallform. Originale Sitzbänke mit abgeplatztem eierschalfarbenem Anstrich stehen in den Fluren und greifen Formen auf, die auch an den Türen der Umkleiden zu finden sind.
Es ist ein Gesamt-Ensemble, wie es in Deutschland nur noch selten zu finden ist. Im Krieg kaum beschädigt, gab es in der DDR nicht genügend Geld für aufwändige Umbaumaßnahmen. Nach der Schließung verfiel das wunderbae Gebäude jedoch nach und nach. Höchste Zeit für eine Schwimmbadsanierung!
Neue Ansätze der “Schwimmbadsanierung”
In einem ersten Bauabschnitt zwischen 2016 und 2022 wurde der östliche Gebäudeteil mit der ehemaligen Frauenschwimmhalle von Schutt befreit. Es wurden neue WC-Anlagen eingerichtet und über das Schwimmbecken ein Parkett gezogen. Seit 2022 ist dieser Teil für Ausstellungen und Veranstaltungen mit bis zu 200 Personen wieder nutzbar und kann auch besichtigt werden. Der morbide Charme des „lost place“ wurde weitgehend bewahrt. Soweit möglich, wurde alles nur mit Klarlack überzogen, um den Charakter zu erhalten. Aufgrund der vielen erhaltenen Kleinsträume für Umkleiden, Dusch- und Wannenräume wird das Gebäude damit jedoch wohl nie richtig wirtschaftlich. -Aber muss Denkmalschutz immer wirtschaftlich sein? Ist Denkmalschutz nicht wie Bildung und Kultur eine sinnvolle staatliche (Zuschuss-)Aufgabe?
Fragen der weiteren Sanierung
Im kommenden zweiten Bauabschnitt soll die Gebäudehülle denkmalgerecht saniert und brandschutztechnisch ertüchtigt werden. Die Halle mit dem ehemaligen Herrenschwimmbad soll ebenfalls für die Nutzung von bis zu 400 Personen hergerichtet werden. Auch hier stellt sich die Frage, inwieweit der Ist-Zustand erhalten werden kann und soll. Möglich wäre alternativ sowohl eine Denkmalschutzsanierung in Richtung Ursprungszustand als auch eine Neuinterpretation als Anpassung an die neue Funktion.
Die Fragen, die bei dieser “Schwimmbadsanierung” zu beantworten sind, stellen sich auch für viele andere sehr spezielle Gebäude unter Denkmalschutz in Berlin. Dazu gehören die Flughäfen Tegel und Tempelhof, das ICC oder auch das Baerwaldbad in Kreuzberg.
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